Nachträgliche ungefähre Wiedergabe der Rede von M.M.
HANEL vom 26.10.1997 zum Anlaß der "Tagung für
deutschsprachige Muslime im Albert Schweizer Haus - WIEN
Thema: "Die besondere Lage der Muslime in
Österreich"
"Audhubillahi mina Shaitani rajim
- Bismillahi ar Rahmani ar Rahmim
As Salaamu Alaikum wa Rahmatullahi wa Barakatuh liebe Brüder, liebe
Schwestern!
Als ich gebeten wurde über die besondere Lage der
Muslime in Österreich heute zu sprechen, habe ich lange nachgedacht, was ich da
wohl zu sagen hätte. Ich habe mich dann entschieden, Euch einfach ein wenig aus
meinen Erfahrungen der letzten 9 Jahre zu berichten, innerhalb welcher ich die
Position des Vorsitzenden des Ausschusses der ISLAMISCHEN RELIGIONSGEMEINDE
LINZ für OBERÖSTERREICH und SALZBURG zu bekleiden hatte.
Im Anschluss daran, wird Euch unsere liebe Schwester
Mariam die gesetzlichen Rahmenbedingungen etwas erläutern, innerhalb welcher
die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich agiert.
So lasset mich beginnen mit dem Leitspruch der
ISLAMISCHEN GLAUBENSGEMEINSCHAFT, den wir uns alle ein bißchen
mehr zu Herzen nehmen sollten, als wir das vielleicht bislang getan haben.
Bismillahi ar Rahmani ar Rahim
"Und haltet insgesamt an Allahs Seil fest, und
zerfallet nicht, und gedenket der Gnade Allahs gegen euch, da ihr Feinde waret, und Er eure Herzen so zusammenschloß,
daß ihr durch Seine Gnade Brüder wurdet; und da ihr am Rande einer Feuergrube waret, und Er euch ihr entriß. So
macht Allah euch Seine Zeichen klar, auf daß ihr euch rechtleiten lassen
möget."[3:103]
Vor ungefähr 10, 11 Jahren als ich als bewußter Muslim noch ganz jung war und den Islam von Grunde
auf lernen wollte, war meine Methode, mich zum intensiven Studium zu bewegen,
das Übersetzen von Büchern. Eines der Bücher die ich damals aus dem Englischen
übersetzt hatte war "Ma la buddha minhu" "The essential Hanafi handbook
of Fiqh" von Qazi Maulana Thanaa
Ullah, einem im vorigen Jahrhundert wirkenden
Gelehrten (Gott hab' ihn selig). Ich gab dem Buch den Titel "Grundzüge der
Rechtslehre von Imam Abu Hanifa".
Als ich mit der Arbeit fertig war, wollte ich - man
wird es verstehen - das Buch eigentlich nicht nur für mich lesen und behalten,
sondern auch der islamischen, deutschsprachigen Gemeinschaft zum weiteren
Gebrauch zu Verfügung stellen. Dazu brauchte ich allerdings vorher die Meinung
von einem gelehrten und erfahrenen Muslim, der die Arbeit begutachten sollte.
So verwiesen mich meine älteren Brüder an Dr. Ahmad
ABDELRAHIMSAI, den Präsidenten des Obersten Rates der Islamischen
Glaubensgemeinschaft in Österreich. So fuhr ich denn mit einem unserer Brüder,
der islamischer Religionslehrer in Linz war nach Wien und lernte Dr. Ahmad
kennen und stellte ihm mein Buch vor und überließ ihm eine Kopie zur
Durchsicht.
Einige Monate später bekam ich einen Anruf von Dr.
Ahmad, mit der Bitte zu einem Treffpunkt in Linz zu kommen. Eigentlich dachte
ich, es ging um mein Buch. Doch zu meinem Erstaunen stellt ich fest,
daß bereits einige ältere Brüder anwesend waren, die mir als "aktive Muslime"
bekannt waren. Dr. Ahmad stellte damals die Notwendigkeit dar, eine weitere
Gemeinde, zusätzlich zu der bereits für Wien, NÖ und Burgenland bestehenden zu
installieren. Was ich bei dieser Runde zu suchen hatte, als weitaus jüngster
und gänzlich unerfahrener Mensch, was öffentliche Gemeinde oder Vereinsarbeit
betrifft war mir vorerst noch nicht klar.
Unser lieber Bruder Husein, der Lehrer, der mich Dr.
Ahmad vorgestellt hatte, klärte mich jedoch bald über die Rolle, die man mir
zugedacht hatte auf. Ich schien als echter Österreicher und Muslim so ziemlich
als letzter geeignet zu sein, den Kandidaten für den Vorsitzenden abzugeben.
Wie konnte das sein?
Wir alle wissen inzwischen, wie es um die allgemeine
gesellschaftliche Situation der Muslime im Bundesgebiet bestellt ist. Gespalten
sind wir in Nationalitäten, diese wiederum in politische Richtungen und Kräfte,
die anstatt - so könnte man fast meinen - mit der ihnen eigenen Individualität
(ein Segen von Gott), so doch gemeinsam mit den anderen am Seile Allahs zu
ziehen, sich dieses eher gegenseitig aus den Händen zu reißen geneigt sind. Audhu billah!
Und tatsächlich all dies mußte
ich bestätigt bekommen. Keine der an organisierten Mitgliedern großen Vereine
wäre bereit gewesen, einer Gemeindegründung positiv und fördernd zuzustimmen,
wenn der Vorsitzende von der anderen Gruppe gewesen wäre.
So mußte halt der Hanel herhalten,
"a echter Linzer Bua" gegen den eigentlich
niemand etwas besonderes
einzuwenden hatte. Mir all dieser Hintergründe noch gar nicht bewußt, hatte ich aber die Sache mit der Gemeindegründung
begeistert aufgegriffen und machte ich mit Lehrer Husein auf, um für die
Gemeinde Stimmung zu machen. Denn für mich war klar: Eine vereinende
Gemeindeplattform zu errichten, auf welcher alle Muslime ihrer traditionellen,
nationalen, historischen, politischen und sonstigen Differenzen hintanstehen
lassen könnten, um mit vereinten und gereinigten Kräften der Sache Allahs in
ÖSTERREICH dienlich zu sein - dafür war ich allemal zu haben und konnte mir
auch nicht vorstellen, daß jemand NICHT dafür wäre.
Doch bald mußte ich meinen
ersten tiefen Schock erleben. Als der Lehrer Husein und ich einmal bei einem
der Vereine die Vorteile und die Notwendigkeit der Gründung der
Religionsgemeinde vortrugen, war ich ganz stolz, verkünden zu können, daß eines
der vorgesehenen Ausschußmitglieder Schiite sei. Ich wußte zwar noch
nicht viel, aber ich wußte zumindest, daß da gewisse
Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten existierten und glaubte mit der
Erwähnung dieser Tatsache zu zeigen, daß es uns ernst war, mit ISLAM - mit
FRIEDE und der ARBEIT. Daß wir hier in Österreich auf der Grundlage der
islamischen Aqida in der Gegenwart für die Zukunft
arbeiten und der Tragik der Historie die Chance des Vergehens einräumen
wollten.
Doch da sagte doch einer der Zuhörer: "Die
Schiiten sind doch gar keine Muslime". Ich war sprachlos. Ganz verschlug
es mir dann die Sprache, als der Imam dieser Gruppe einfach weiteraß
und keinen Grund für einen Einwand fand.
Da erstmals wurde mir bewußt,
na ja ein wenig bewußt - aber wahrhaben will ich es
bis heute nicht - daß die gemeinsame Arbeit doch nicht ganz so einfach würde
werden, wie sie es eigentlich sein sollte, wollten wir alle nur die Regeln und
Vorschriften Allahs - Erhaben ist Er - und die Seines Gesandten - Friede und
Segen Allahs mit ihm - beherzigen und ihnen folgen.
Wie dem auch ist, die Gemeinde als Organ der
Glaubensgemeinschaft, Körperschaft öffentlichen Rechts, konnte letztlich mit
der Unterstützung aller wesentlichen Gruppierungen gegründet werden. Doch
gleich lernte ich meine nächste Lektion. Diesmal wollte man mir klar machen,
wer hier in Österreich den Ton angibt und wem ich zu gehorchen hätte. Es war
und ist unglaublich, wie eine bestimmte Sorte von Mensch,
die Macht anhimmelt und für ihre eigenen irdischen Zwecke auszubeuten gedenkt.
Nun, der Hanel war zwar jung, ca. 32 Jahre alt und in der sogenannten
"Politik" ganz unerfahren, aber er wußte
was er wollte und ich weiß auch heute noch was ich für die islamische
Gemeinschaft in Österreich wünsche. Es ist ganz einfach: Ich will, daß
Wohlgefallen Allahs auf uns, ich will, daß wir IHN lieben und daß ER uns liebt!
Im übrigen
bitte ich Euch eine DUA für das Wohlergehen unseren Präsidenten Dr.
ABDELRAHISAI zu lesen, denn man hat mir gesagt, daß er mit sehr schwacher
Gesundheit im Krankenhaus in Graz behandelt wird - denn eines ist gewiß: - Kein anderer Mensch hat so viel Positives in der
Öffentlichkeit für den Islam und seine Anerkennung in Österreich geleistet als
Dr. Ahmad.
Allah wird es ihm vergelten, denn selten ist der
Mensch dankbar oder gar gerecht.
Nun will ich aber bald zum Ende kommen und will Euch
die unzähligen kleineren und größeren Begebenheiten, die so einem kleinen
österreichischen Muslim im Laufe der Zeit zustoßen ersparen. Wie unser Bruder
Murad Hoffmann so schön sein Buch betitelte "Zwischen allen Stühlen"
so ergeht es uns "Konvertiten" (welch grausliches Wort) wirklich. Von
unseren Familien abgelehnt oder für dumm gehalten, von einigen
"schweren" Muslimen, aus deren Vermögen man eigentlich Trost und
Aufnahme und Unterstützung bei der Entwicklung der muslimischen Identität, wie
einer der Brüder dies vorhin so treffend angeschnitten hat - Hilfe und schönes
Beispiel erwartend, hört man von dieses "Kafir", "Spion",
"Lügner" und "Betrüger".
All das meine lieben Brüder und Schwestern, ließ mich
mehr als einmal im Laufe der Zeit verzweifeln und ich wollte einfach alles
hinschmeißen und "sie" den Kram alleine machen lassen. Doch dann, und
das entschädigt für vieles, spürt man wieder echte Brüderlichkeit und bezieht
aufrichtige Ermahnung zu Geduld und Standhaftigkeit für die Sache Allahs. Und
deshalb habe ich meinen gekränkten Stolz überwunden (ich fürchte, daß ich ihn
noch nicht ganz besiegt habe J )
und nicht aufgegeben. Nicht aufgegeben, an die Verwirklichung und Umsetzung der
konstruktiven Kräfte, die sehr wohl der islamischen Gemeinschaft, nicht nur in
Österreich inneliegen, zu glauben und daran zu
arbeiten, sie hervor und zur Entfaltung zu bringen. Denn eines lernt man auch
erst im Laufe der Zeit. Daß die Eitelkeit und Dummheit so mancher Intriganten -
und diese sind schlimme Feinde der Gemeinschaft - einander selbst besiegen überläßt man sie nur sich selbst..
So wenn Euch wieder einmal der Mut verläßt
und Ihr traurig seid, weil ihr das Gefühl habt, daß gar nichts weitergeht, weil
ihr verzweifelt an der Kluft, die besteht zwischen dem SOLL des ISLAM - wie ihr
sein echtes Wesen richtig erkannt habt und dem IST des gestern und heute, so
denkt an Euren Bruder Hanel, der mehr als einmal der Verzweiflung Tränen
kostete und gebt nicht auf. Denn Allah - Erhaben ist ER - läßt
uns nicht im Stich. Doch müssen wir schon IHM entgegen gehen, damit ER uns
entgegen gelaufen kommt!
Und jetzt komme ich langsam wirklich zum Schluß - habe ohnehin schon meine Zeit überzogen, und sage
Euch, daß mir scheint, als vollendeten wir nun einen Kreislauf, um die Chance
zu einem neuen Beginn zu erhalten. Warum sage ich das? Weil wir in Wirklichkeit
mit den Aufgaben, die einer Religionsgemeinde zukommt, innerhalb der letzten 9
Jahre kaum vorangekommen sind. Moschee und Friedhof hatten wir
ohnehin innerhalb weniger Wochen mit der Hilfe Allahs bezogen und organisiert.
Doch mit der Zusammenarbeit kamen wir nicht weiter, bis auf letzte Woche, wo
wieder diesbezügliche Anstrengungen unternommen wurden, um die Einheit endlich
zu schaffen und nicht nur von ihr zu reden.
Auch ein Teil unserer Jugend gibt Anlaß
zur Hoffnung, doch dies muß uns auch Verpflichtung
sein, sie nicht alleine und im Stich zu lassen. Und diese Tagung, zu der wir
heute zusammengekommen sind, mag auch als Zeichen gelten, daß wir das Los,
nicht nur der Muslime in Österreich in Gemeinsamkeit und mit Verstand zum
Besseren wenden werden - mit Allahs Segen und Hilfe. Und wie sagte immer unser
Imam Hikmet: "Inscha Allah, wird
besser".
Sein Wort in Gottes Ohr!
Vieles möchte ich Euch noch sagen doch vielleicht
an andermal.
Deswegen beende ich meine Rede und schließe mit der so
kurzen und doch in ihrer Bedeutung so umfassend tiefen SURE "AL ASR"
As Salaamu Alaikum wa Rahmatullahi wa Barakatuh!
Bismillahi ar Rahmani ar Rahim
"Beim Nachmittag - wahrlich sind die Menschen im
Verlust, außer jene, die da glauben und das Rechte tun und einander anhalten
mit Wahrheit und zur Standhaftigkeit."
AMIN